Mehrfamilienhäuser unter Marktwert ersteigern: Potenzial für Investoren

Warum Mehrfamilienhäuser aus Versteigerungen für Investoren spannend sind

Mehrfamilienhäuser (MFH) zählen in der Schweizer Zwangsversteigerung zu den renditestärksten, aber auch seltensten Objekten. Sie kombinieren planbare Cashflows, Inflationsschutz über indexierte Mietverträge und die Chance, unter Marktwert zu kaufen. Für professionelle Käufer ist der Hebel doppelt attraktiv: Ein günstiger Einstieg senkt die Einstiegskapitalisierung (Cap Rate) und erhöht gleichzeitig die Eigenkapitalrendite nach Sanierungs- oder Optimierungsmassnahmen.

Marktdynamik 2021–2024: klein, aber wertstark

Das Auktionssegment ist überschaubar, dennoch bewegen MFH beträchtliche Volumina. Die vergangenen Jahre zeigen drei Muster:

Seltene Gelegenheiten: Pro Jahr werden nur wenige Dutzend MFH versteigert – der Grossteil der Auktionsobjekte sind Wohnhäuser und Eigentumswohnungen.
Überdurchschnittliche Ticketgrössen: Durchschnittliche Verkehrswerte der MFH liegen klar über üblichen Einfamilien- oder Stockwerkeinheiten.
Volatilität je Jahr: Einzelobjekte mit hoher Bewertung bewegen die Jahresstatistik spürbar (Streuung durch Lage, Zustand, Nutzungsmix).

Kennzahlen Mehrfamilienhäuser in Zwangsversteigerungen (2021–2024)

Jahr	Anzahl MFH	Ø Verkehrswert (CHF)	Volumen (CHF)	Marktkontext
2021	33	≈ 2.42 Mio.	≈ 77.6 Mio.	Re-Opening nach Pandemie; hohe Gesamtaktivität im Auktionjahr.
2022	21	≈ 8.96 Mio.	≈ 188.2 Mio.	Wenige, sehr grosse MFH treiben das Volumen; selektive Spitzenobjekte.
2023	22	≈ 1.63 Mio.	≈ 35.9 Mio.	Normalisierung; kleinere bis mittlere Liegenschaften dominieren.
2024	16	≈ 1.59 Mio.	≈ 25.4 Mio.	Knappes Angebot, stabiler Preisbereich.

Hinweis: Verkehrswerte sind betreibungsamtliche Schätzungen und spiegeln nicht zwingend den Zuschlagspreis wider. Der tatsächliche „Discount zum Markt“ ergibt sich aus Wettbewerb, Objektzustand und Finanzierungssicherheit.

Wo sich der Einstieg lohnt: regionale Hotspots

Die Auktionsaktivität konzentriert sich traditionell im Süden und Südwesten. Für MFH-Investoren sind vor allem diese Muster relevant:

Hohe Aktivität & Auswahl: Tessin (TI), Waadt (VD), Wallis (VS) und Bern (BE) verzeichnen regelmässig die meisten Verfahren. Mehr Verfahren bedeuten mehr Vergleichsmöglichkeiten und bessere Verhandlungstaktik.
Hohe Versteigerungsrate je Einwohner: TI, Jura (JU), Solothurn (SO), Glarus (GL), VS – interessante Chancen für „Underdog“-Standorte mit soliden Cashflows.
Preisniveau & Premium: In Zürich (ZH), Genf (GE), Zug (ZG) sind MFH seltener und teurer; der Discount zum Markt ist möglich, aber umkämpft. In Aargau (AG), Thurgau (TG), St. Gallen (SG), Freiburg (FR) und Neuenburg (NE) sind „Value-Add“-Fälle häufiger.

Pragmatischer Ansatz: In Premiumkantonen prüfen, ob ein knappes, aber hochwertiges Angebot das Ziel ist (Wertsicherung, tiefer Leerstand). In kantonen mit überdurchschnittlicher Auktionsaktivität stärker auf Renditetreiber (Miete, Leerstand, Capex-Hebel) fokussieren.

Saisonalität nutzen: wann beobachten, wann zuschlagen

Jahreszeitliche Muster wiederholen sich: Juni und Oktober sind regelmässig volumenstark, Juli/August schwächer. Für die Pipeline bedeutet das: Due Diligence und Finanzierung im Frühjahr/Frühsommer bereit haben, um die dichten Auktionsfenster effizient zu nutzen.

Wirtschaftliche Hebel: von der Schätzung zur Rendite

Die drei zentralen Renditetreiber

Eintrittspreis vs. Verkehrswert: Der Zuschlag unter Schätzwert ist möglich, aber nicht garantiert. Reale Discounts entstehen vor allem bei komplexen Fällen (Sanierungsstau, rechtliche Besonderheiten, geringer Bieterwettbewerb).
Mietertrag & Leerstand: Stabilität zählt. Kantone mit solider Nachfrage (ZH, VD, BE) bieten tieferen Leerstand; in peripheren Regionen (GL, JU, SO) entscheiden Objektqualität und Mikrolage.
Capex & Energie: Investitionen in Hülle/Haustechnik (Heizung, Dämmung, Fenster, Photovoltaik) erhöhen die Nettomieteffizienz und den Käuferkreis beim Exit – gerade in Märkten mit ESG-Fokus wie ZH, GE, Basel-Stadt (BS).

Beispiel: schnelle Wirtschaftlichkeitsprüfung (vereinfachtes Modell)

Parameter	Marktkauf	Auktion (unter MW)
Kaufpreis	1’850’000 CHF	1’550’000 CHF
Jahresmiete (Ist)	96’000 CHF	96’000 CHF
Leerstand/Bad Debt	2 %	2 %
Betriebskosten (nicht umlagefähig)	8’000 CHF	8’000 CHF
NOI (vereinfacht)	86’080 CHF	86’080 CHF
Brutto-Cap Rate	4.65 %	5.55 %
Capex-Jahresbudget (Ø)	15’000 CHF	15’000 CHF
Netto-Cap Rate (nach Capex)	3.84 %	4.58 %

Selbst bei identischem Betriebsergebnis hebt der günstigere Einstieg die laufende Rendite spürbar an. Steigert man zusätzlich den Mietertrag (z. B. durch Sanierung oder bessere Vermarktung), verschiebt sich die Cap Rate weiter zugunsten des Auktionsszenarios.

Deal-Profile und passende Regionen

Core/Core+ Cashflow: Dichte Arbeitsmärkte, tiefer Leerstand, hohe Nachfragesicherheit – Fokus auf ZH, BS, GE, ZG. Discount ist kleiner, aber Stabilität und Exit-Liquidität sind hoch.
Value-Add: Solide Mittelzentren mit Optimierungspotenzial – AG, TG, SG, FR, NE, LU, BE.
Opportunistisch: Höhere Versteigerungsrate je Einwohner, selektive Mikrolagen – TI, VS, SO, JU, GL, Graubünden (GR).

Technische, rechtliche und finanzielle Due Diligence – fokussiert auf Auktionen

Technik & ESG

Gebäudehülle & Haustechnik: Heizsystem (Öl/Gas vs. WP/Fernwärme), Dämmstandard, Fenster, Elektro/Steigzonen, Wasser/Abwasser.
Energie & Dach: PV-Potenzial, Dachstatik, Sanierungszyklen (Fassade, Dach, Leitungen).
Wohnungsmix: Einheitengrössen, Grundrissqualität, Turnaround-Aufwand bei Mieterwechsel.

Recht & Nutzung

Bestandsmieten & Mietverträge: Indexierung, Nebenkostenlogik, Staffeln, allfällige Mietzinsanpassungen nach Investitionen.
Baurecht & Ausnützungsreserve: Zonenordnung, Verdichtungsmöglichkeiten, Umnutzungen (z. B. DG-Ausbau).
Schuldbrief/Hypothek: Rangverhältnisse, Dienstbarkeiten, laufende Verfahren (Einsicht Versteigerungsbedingungen).

Finanzierung

Tragbarkeit & Zinsbindungsstrategie: DSCR-Stresstest (Zins +200–300 bp, 10–15 % Mietausfall, +20 % Capex).
Refinanzierbarkeit: Nach Stabilisierung (Vermietung/Sanierung) Umstellung auf langfristige Finanzierung zu tieferen Margen.

Schritt-für-Schritt zur erfolgreichen Auktion

Pipeline bauen: Relevante Kantone beobachten (TI, VD, VS, BE), früh Termine und Dossiers sichern.
30-Minuten-Check: Miete, Leerstand, Capex grob quantifizieren; Ausschlusskriterien (Lage, Statik, baurechtliche Limitierungen).
Termsheet mit Bank: Vorabklärung Belehnung/Rate; Bietsicherheit (Anzahlung) organisieren.
Bietstrategie: Maximalpreis aus NOI/Cap Rate – Capex – Risikoaufschlag ableiten; strikte Disziplin am Auktionstag.
Plan B: Bei Überbietung sofort nächste Alternative im gleichen Kanton prüfen (Pipeline-Redundanz).

FAQ: Häufige Fragen von MFH-Investoren

Wie realistisch ist „unter Marktwert“? In kompetitiven Kantonen (ZH, GE) sind Discounts kleiner. In Regionen mit hoher Auktionsrate (TI, JU, SO) sind Chancen besser – vorausgesetzt, Finanzierung und Due Diligence stehen.
Wie gehe ich mit Sanierungsstau um? Capex in die Kalkulation integrieren, mit Mietentwicklung (nach Investition) und Exit-Cap Rate spiegeln.
Welche Objektgrössen sind typisch? Von kleinen MFH (4–6 Einheiten) bis zu grösseren Anlagen. Grosse Einzeldeals können Jahresvolumina verzerren.

„Der Auktionserfolg ist selten Zufall. Wer seine Pipeline kantonsübergreifend strukturiert, die Finanzierung vorbereitet und strikt nach Cashflow/Capex-Kriterien bietet, erzielt die besseren Deals – gerade bei Mehrfamilienhäusern.“